Monologisches Sprechen und Peerfeedback
„Deutsch zu sprechen lernt man allerdings nur, indem man selbst spricht“ (van der Burg, 2013). Viele Deutschlehrende kennen das Problem, SchülerInnen finden es zwar wichtig Deutsch sprechen zu können, aber sie üben zu wenig und wenn sie üben, erscheint dies wenig effektiv. Aber wieso gelingt es uns als Lehrpersonen eigentlich nicht die SchülerInnen mehr zum Sprechen zu bewegen? Und wie könnte man das ändern? Dies waren für Jacquelien Bijzet-Blok und mich, Laura Hendrixen, die Ausgangsfragen für unsere Abschlussarbeit für den Educatieve Master Duits an der Fachhochschule NHL Stenden in Groningen. Nach einer gründlichen Problemanalyse und Literaturrecherche haben wir in unseren 4vwo-Klassen untersucht, inwiefern der Einsatz von Peerfeedback bezüglich kohärenten monologischen Sprechens eine positive Selbsteinschätzung fördert. Im Folgenden wird unsere Forschungsarbeit zusammengefasst dargestellt. Abschließend werden konkrete Empfehlungen für Lehrkräfte benannt.
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Beschreibung der Problemsituation aus Lehrer- und Schülersicht
Ausgangspunkt unserer Forschungsarbeit war unsere Erfahrung als Deutschlehrende, dass es notwendig ist, die Sprechfertigkeit in unseren 4vwo-Klassen zu fördern. Wir erfuhren nämlich eine Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Obwohl wir uns der Bedeutung des Sprechens in unseren Unterrichtsstunden bewusst waren, beobachteten wir, dass Lernende an unseren Schulen, das Gomarus College in Groningen und das Assink Lyceum in Haaksbergen, wenig Selbstvertrauen besitzen und ihre eigenen Kenntnisse negativ einschätzen. Zudem beobachteten wird, dass während der Sprechübungen zu wenig Deutsch gesprochen wurde. Viele SchülerInnen vergeudeten scheinbar zu viel Zeit mit Vorbereitungen auf Niederländisch und neigten dazu, nicht selbst zu sprechen, sondern nur den anderen zuzuhören. Die von uns und unseren KollegInnen berichteten Erfahrungen spiegeln sich auch landesweit wider, wobei hier auch Faktoren wir die Klassengröße und die fehlenden Möglichkeiten, auch außerhalb des Klassenzimmers Deutsch zu sprechen, als Problem genannt wurden (vgl. digitale Umfragen des SLO 2015). Insgesamt stehen wir als Lehrende vor einer großen Herausforderung, denn der Lernprozess der Sprechfertigkeit erfolgt nur, wenn auch aktiv geübt wird.
Damit neben den eigenen Erfahrungen von uns als Lehrpersonen auch ein Bild des Problems aus Perspektive unserer Lernenden entsteht, wurde an unseren Schulen einen Fragebogen unter 89 Lernenden durchgeführt. Hierin wurden Lernenden aus den Klassen 4vwo zur Bedeutsamkeit der Fertigkeit Sprechen, der Rolle der Lehrerperson und der Art und Weise, auf die sie Feedback erhalten, befragt. Aus dem Fragebogen ließ sich schließen, dass unsere Lernenden – anders als vorab angenommen – Sprechfertigkeit einen großen Wert zuschreiben und keineswegs unmotiviert sind, und auch nicht lieber an anderen Fertigkeiten arbeiten würden. Im Fragebogen geben die Befragten an, dass sie Sprechfertigkeit als die wichtigste Fertigkeit empfinden. Eine geringe Wertschätzung für die Fertigkeit ist also kein Grund dafür, dass sie wenig sprechen. Aus dem Fragebogen ergibt sich weiter, dass die Lernenden finden, dass sie die Fertigkeit Sprechen nicht gut beherrschen und wenig Selbstvertrauen besitzen, was unseren Beobachtungen entsprach. So belegt die Lernendenumfrage, dass nur manche Lernende genug Selbstvertrauen besitzen, um in der Klasse Deutsch zu reden. Auch trauen nur manche sich, direkt vor der Lehrperson zu sprechen.
Insgesamt haben wir erkannt, dass die Hauptprobleme für das Sprechenlernen in unserem Unterricht die oftmals negative Selbsteinschätzung bzw. das Selbstbewusstsein der SchülerInnen sowie die geringe aktive Sprechzeit im Unterricht sind.
Nach einiger Recherche haben wir das Arbeiten in Kleingruppen und den Einsatz von Peerfeedback als möglichen Lösungsansatz entdeckt. Wenn man nämlich Feedback auf sein Handeln bekommt, weiß man, was schon gut funktioniert, oder was man noch anpassen muss. Man reflektiert sein Handeln. Laut Winter bietet Feedback dem Lernenden außerdem Informationen über den Erfolg seiner/ihrer Bemühungen (vgl. S. 63). Feedback nimmt daher direkten Einfluss auf die Selbsteinschätzung und das Selbstwertgefühl. Wenn Lernende sich selbst besser einschätzen können, können sie sich wiederum kompetenter bezüglich ihres Lernprozesses fühlen (Deci & Ryan, 1985). Feedback und Peerfeedback können hieran beitragen und so die Sprechmotivation steigern. Eine positive Einschätzung der Fähigkeiten, wirkt somit als selffullfilling prophecy und führt zu einer höheren Motivation bei den Lernenden (Liedke, 2016, S. 43-44). Und eine höhere Motivation bzw. höheres Selbstwertgefühl führt wiederum zu Lernerfolgen.
Das Arbeiten in Kleingruppen bzw. in Partnerarbeit statt im Plenum sorgt zudem automatisch für mehr Sprechzeit für die/den einzelnen Lernenden und kreiert entsprechend mehr Lerngelegenheiten.
Ausgehend dieser Überlegungen haben wir folgende Forschungsfrage formuliert, die wir in einer Interventionsstudie testeten: Inwiefern fördert der Einsatz von Peerfeedback bezüglich kohärenten monologischen Sprechens eine positive Selbsteinschätzung der Lernenden?
Nach Aufstellung der didaktischen und pädagogischen Anforderungen an unsere Intervention, wurde der Fokus auf die Verwendung von Verknüpfungswörtern und Kohärenz beim monologischen Sprechen über Märchen festgelegt. Gründe für das Thema Verknüpfungswörter sind, dass die Lernenden bereits Vorwissen hierzu mitbringen und sich dadurch nicht allzu schnell überfordert fühlen werden. Zudem ist es ein klarer Input, der sich an den Anforderungen des GER orientiert, mit klaren Lernzielen, die gut von den Lernenden selbst beurteilt werden können, was Grundvoraussetzung für das Geben von Peerfeedback ist. Der Fokus auf das mongolische Sprechen begründet sich darin, dass jeder Lernende aktiv spricht und auch ansprechbar auf sein/ihr Produkt ist. Das Thema Märchen wurde wiederum gewählt, da es ebenfalls an Vorwissen anknüpft und sich solche kurzen Geschichten gut für die Beschreibung eines roten Fadens eignen (vgl. Knaap, 2019, S. 93) und somit gut an den Gebrauch von Verknüpfungswörtern anschließen.
Vor und nach der Intervention wurde ein Fragebogen zur Selbsteinschätzung eingesetzt, sodass mögliche Veränderungen aufgedeckt werden konnten. Die Intervention beinhaltete das mehrfache Geben von Peerfeedback auf das monologische Sprechen mit Fokus auf Verknüpfungswörtern. Grundlage für das Geben von Feedback war ein Bewertungsraster, das den Lernenden als Hilfsmittel diente. Dieses wurde gründlich besprochen und es wurde auch ein Videobeispiel eingesetzt, damit Lernenden die von ihnen erwartete Qualität kennenlernen. Insgesamt wurde erhofft, dass aus der Übung mit Verknüpfungswörtern und dem Geben und Erhalten von Peerfeedback Lernende besser wissen, welche Ziele und Aspekte dieser Ziele sie erreichen müssen, um ihre Sprechfertigkeit zu verbessern. Durch eine Endmessung nach der Intervention wurde getestet, ob die Lernenden sich selbst, nachdem sie Feedback erhalten und gegeben haben, positiver einschätzen.
Ergebnisse und Diskussion
Durchschnittlich haben die Lernenden sich bezüglich des kohärenten monologischen Sprechens nach der Intervention, in der sie Peerfeedback gegeben und erhalten haben, höher benotet. Zudem schätzt ungefähr ein Drittel der Lernenden die eigene Sprechkompetenz positiver ein. Ob diese positivere Selbsteinschätzung tatsächlich durch den Peerfeedbackeinsatz entstanden ist, kann unsere Forschung jedoch nicht belegen, da es keine Kontrollgruppe gab. Weitere erhobene Daten waren uneindeutig. Die Hypothese, dass das Peerfeedback zu einer positiveren Selbsteinschätzung führt, kann also nicht bestätigt werden. Sie wird hier jedoch auch nicht verworfen. Wir vermuten, dass Peerfeedback zumindest in Teilen an der positiveren Selbsteinschätzung beigetragen haben könnte. Hauptproblem ist, dass nur die Daten einer kleinen Gruppe ausgewertet werden konnten, was die Zuverlässigkeit beeinträchtigt. Zudem wäre es notwendig Peerfeedback über einen längeren Zeitraum einzusetzen, um hier mögliche Effekte aufdecken zu können.
Empfehlungen für Lehrkräfte
Nach unseren Beobachtungen sorgt Peerfeedback in Kleingruppen dafür, dass SchülerInnen im Unterricht aktiver und mehr sprechen. Es ist zeitökonomischer und wir konnten feststellen, dass wir als Lehrkräfte unsere freigewordenen Kapazitäten stattdessen nutzen konnten, um Feedback auf den Prozess und die Selbstregulierung zu geben. Dies empfanden wir als Bereicherung für unseren Unterricht. Zudem bemerkten wir, dass Peerfeedback unsere SchülerInnen motiviert, auch ohne das direkte Mitwirken oder die Beurteilung unsererseits.
Mittels klar formulierter Lernziele und eines Beurteilungsrasters können die Lernenden ihre Kompetenzen selbstständig formativ prüfen. Die Verwendung eines Beurteilungsrasters bewirkt außerdem, dass die Lernenden besser wissen, an welchen Stellen sie sich verbessern können. Aus „Ich kann das einfach nicht” wird „Ich kann genau das noch nicht". Die Anwendung des Rasters beim Geben von (Peer-)Feedback bietet der Lehrperson Einsicht in die Kompetenzen der Lernenden der Unterricht kann auf Grundlage dessen angepasst werden.
Inhaltlich müsste bei der Ausführung einer Lektionsreihe zu Sprechfertigkeit und Peerfeedback möglichst viel Zeit eingeräumt werden, sodass sich alle Lernenden auf diese Methode einlassen können. In unserem Fall gab es aufgrund Zeitmangels mehrmals Hausaufgaben für den nächsten Tag, was Stress bei den Lernenden und Enttäuschung für die Lehrperson verursachte. Ebenfalls ist es wichtig, einen großen Raum bereitzustellen, in dem alle sich gesehen, aber nicht gehört fühlen. Nur so kann ein ungehemmtes Sprechen gewährleistet werden.
Letztens wäre es aus Motivationsgründen für die Lernenden sinnvoll die Lektionsreihe am Anfang des Schuljahres durchzuführen. Peerfeedback könnte dann in den neugeformten 4 vwo-Klassen als Basis für den Umgang mit Sprechfertigkeit dienen, und so Sprechängste lösen. Ebenfalls könnte es als Basis für den Umgang mit Mitlernenden dienen und zu mehr Selbstbewusstsein führen.
Literatur
Deci, E., & Ryan, R. (1985). Intrinsic motivation and self-determination in human behavior. New York: Plenum.
Knaap, E. v. (2019). Literatuur en film in het vreemdetalenonderwijs. Bussum: Coutinho.
Liedke, M. (2016). Vermittlung der Sprechfertigkeit. In E. Burwitz-Melzer, G. Mehlhorn, C. Riemer, K.-R. Bausch, & H.-J. Krumm, Handbuch Fremdsprachenunterricht (S. 983-991). Tübingen: Narr Francke Attempo .
SLO, nationaal expertisecentrum leerplanontwikkeling. (2015). Doelstelling en toetsing gespreksvaardigheid Engels, Duits en Frans. Resultaten digitale enquête havo/vwo. Enschede: SLO (nationaal expertisecentrum leerplanontwikkeling).
Winter, F. (2018). Lerndialog statt Noten. Weinheim und Basel: Beltz Verlag .
Möchtest du gerne mehr Informationen zum Forschungsprojekt oder bist an den Unterrichtsmaterialien interessiert? Nimm Kontakt auf mit: Laura Hendrixen L.hendrixen@hetassink.nl
Laatst gewijzigd: | 15 juli 2024 11:00 |