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Buch, Buch, Buch

Nicht so wirklich auf den Norden orientiert, aber ein guter Buchtipp von unserem ehemaligen Kollegen Matthias Mitzschke.

W er erschlug die Deutschlehrerin?

Genau diese Frage will Leni Weber lösen. Leni gibt als Honorarkraft Kurse am Goethe-Institut in Rotterdam und wohnt zusammen mit der Kollegin Kathrin. Am 2. Juni beginnt ihr Arbeitstag mit einer Neuigkeit. Der Rezeptionist empfängt Leni:

„Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Welche willst du zuerst hören?“

„Erst die schlechte. Das Gute bitte zum Schluss.“

„Okay. Ich beginne mit der schlechten: Beate Neumann ist tot. Ein Nachbar hat sie gestern Abend in ihrer Wohnung gefunden. .....“

„Und was ist die gute Nachricht““

„Beate Neumann ist tot.“

Dass Beate nicht wirklich bei den Kollegen beliebt war, ist also deutlich. Beate war Sprachkursbeauftragte am Institut und hatte eine der begehrten festen Stellen. Sie wollte Karriere machen, hatte sich auf eine Beförderungsstelle beworben, weg von Rotterdam über München in die weite Welt. Liebschaften sollten den Prozess des Aufstiegs fördern. Um fachinhaltlich zu punkten, hatte sie zudem einen Projektantrag von Kathrin zur interkulturellen Kommunikation umformuliert als ihren ausgegeben.

Und zu guter Letzt steht noch ein Audit ins Haus. Ein Audit ist wohl die kleine Schwester der Akkreditierung an niederländischen Schulen beim Goethe-Institut.

Leni wird gebeten, provisorisch die Aufgaben von Beate zu übernehmen. Das Audit drängt. Die Vorbereitung ist nicht termingerecht abgeschlossen. Eine forsche Institutsleiterin hilft bei der Vorbereitung keineswegs und der Abteilungsleiter Sprache geht die Geschichte eher locker an.

Zum Glück hat Leni einen netten Kursteilnehmer in ihrem Sprachkurs, der ist ‚Hoofdinspecteur‘ der Rotterdamer Polizei und natürlich mit der Aufklärung von Beates Tod befasst.

Viele kommen als Täter infrage: Kolleginnen, Kollegen, Kursteilnehmer.

Zwischendurch muss noch eine Weiterbildung zum Thema „Kommunikativer Unterricht mit heterogenen Gruppen“ absolviert werden. Die Veranstaltung beginnt damit, dass alle Teilnehmer einen Kaktus malen sollen. Leni weiß sich dem zu entziehen.

Ob es gelingt, den Täter oder die Täterin zu überführen, ob Leni ihre berufliche Situation zu verbessern und ob die Hauptperson ihr persönliches Glück zu finden weiß, all das erfährt man auf 230 Seiten Kriminalroman. In einer Art Tagebuch werden die Ereignisse vom 2. bis zum 14. Juni beschreiben, eine Nachschau rundet das Buch ab.

Die Autorin Anne Buscha hat einen kenntnisreichen Regionalkrimi und Branchenkrimi verfasst. 30 Jahre arbeitete sie in den Niederlanden, vielen Deutschlehrern ist sie sicherlich bekannt - als Kollegin und als Autorin von Lehrwerken.

Die Stadt Rotterdam ist die Umgebung, ihre Vitalität und Modernität, das multikulturelle Zusammenleben wird erlebbar gemacht. Mit der lebendigen Stadt wird dem Leser vieles an deutsch-niederländischen Unterschieden vermittelt. Seien es die persönlichen Umgangsformen, sei es das Essen oder sei es nur die Tatsache, dass in den Niederlanden meist die Wohnungen eine Hausnummer haben und nicht das Haus wie in Deutschland. Man sollte also besser von Wohnungsnummern sprechen. Kleinigkeiten, aber genau sie sind es die den Roman so glaubwürdig und interessant zu lesen machen. Der Kenner der Stadt wird sich an den detailreichen Beobachtungen erfreuen, für den, der die Stadt nicht kennt, sind sie eine Einladung.

In dieser umtriebigen Stadt ist der zweite wichtige Ort das dortige Goethe-Institut. Diese hier herrschende Kultur ist irgendwie sehr erkennbar deutsch, so wenn die Institutsleiterin über das vermisste Siezen mit dem Personal, den Ortskräften sinniert. Oder das eher hierarchie-orientierte Denken, dass nur gelegentlich von pragmatischer Logik getrieben wird.

Zu dem Institut gehört selbstredend auch alles Wichtige, was der Bereich Deutsch als Fremdsprache derzeit zu bieten hat. Die Merkwürdigkeiten und Sonderbarkeiten aus diesem kleinen Mikrokosmos werden mit Distanz und Liebe dargestellt. Sei es der geforderte ICT-Einsatz, seien es Fragen im Umfeld der Diversität. Die dritte Person Singular mit er/er beziehungsweise sie/sie anstatt des üblichen er/sie/es bei der Grammatik einzuführen zeigt vor einem ernsten Hintergrund die Hilflosigkeit so mancher Ansätze. Bei aller Kritik bewahrt die Autorin immer eine erkennbare Liebenswürdigkeit, die Ironie schlägt nicht in Zynismus um.

Es wäre schön, wenn die erwähnten Goethe-Institute die Souveränität haben, Anne Buscha zu einer Lesereise mit ihrem Buch einzuladen. Der Kulturarbeit täte das sicherlich keinen Abbruch.

Auf jeden Fall kann man den Text schon jetzt lesen und ihn genießen. Dann erfährt man auch, wer die Deutschlehrerin erschlug. Aber vielleicht ist das nach all den anderen interessanten Ausführungen beinah zur Nebensache geworden.

Buscha, Anne: Das Audit. Kriminalroman. Leipzig: Engelsdorfer Verlag, 2021. 14,- Euro. (ISBN 978-3-96940-080-7)

Matthias Mitzschke

Laatst gewijzigd:15 juli 2024 11:00