Skip to ContentSkip to Navigation

Rezension zum Roman Blaue Frau von Antje Rávik Strubel

Am 22. September hat die Autorin Antje Rávik Strubel im Rahmen einer Lesung an der Universität Groningen aus Ihrem neuen Roman Blaue Frau vorgelesen und sich den Fragen des Publikums gestellt. Deutsch-Studierende aus dem Studiengang Europäische Sprachen und Kulturen haben den Roman zur Vorbereitung auf das Treffen mit der Autorin gelesen und ihr Urteil in einer Buchrezension ausgearbeitet. Hier veröffentlichen wir die Rezension der Studierenden Patricia Pranceková, Auke Fennema und Julie Creedon:

Blaue Frau. Drei Namen, zwei Geschichten und eine Frau, die nicht weißt, wie sie ihre Geschichte erzählen soll.

>> Vanaf hier verder lezen << Antje Rávik Strubel wurde schon seit langem mit Büchern umkreist. Zuerst arbeitete sie als Buchhändlerin, später studierte sie Literaturwissenschaften, Amerikanistik und Psychologie in den Vereinigten Staaten. Deshalb ist es keine Überraschung, dass sie sich bis heute mit Wörtern und Geschichten beschäftigt. Blaue Frau ist das elfte Buch, das sie geschrieben hat.

Das Buch, das im Jahr 2021 veröffentlicht wurde, hat von der Öffentlichkeit in Hülle und Fülle ausgezeichnete Rezensionen bekommen. Ein Zeichen dafür ist, dass Antje Ravic Strubel den Deutschen Buchpreis gewonnen hat. Die Wirkung dieses Buches ist so stark, weil die Themen, mit denen es sich beschäftigt, heutzutage so relevant sind. Grenzen und Grenzüberschreitungen, sexuelle Gewalt und die Machtverhältnisse zwichen Ost und West. In dieser Geschichte folgt man der Reise von Adina, einer jungen Frau aus dem tschechischen Riesengebirge, die nach einem kurzen Aufenthalt in Berlin, wo sie Deutschkurse besucht hat und später studieren möchte, ein Praktikum in Uckermark macht und dort vergewaltigt wird. Nach diesem Trauma flieht sie nach Helsinki und trifft Leonide, einen estnischen EU-Abgeordneten, der sich in sie verliebt. Im Laufe des Buches versucht Adina ihre dunkle Vergangenheit zu verarbeiten und Tag für Tag, Stück für Stück, findet sie Teile von sich selbst, die sie einmal verloren hat.

Eintauchen in Blaue Frau ist in der Tat nicht einfach. Die ausgeklügelte Handlung ist voller Rätsel, falscher und unklarer Erinnerungen und darüber hinaus eine Kombination von zwei auf den ersten Blick komplett inkohärenten Geschichten. Das Lesen dieses Buches ist deshalb nicht nur eine Flucht aus der Realität, sondern auch die Suche nach Puzzle-Stückchen. Die Hauptfigur hat in ihrem kurzen Leben ziemlich viel erlebt. Flucht, Vergewaltigung, Schwarzarbeit, Trauma, Liebe… Daher stellt sich die Frage, ob Adina nicht mit zu vielen Erlebnissen im Roman aufgebürdet wird.

Raviks Schreibstil wird besonders von seinen poetischen Merkmalen gekennzeichnet. Das Buch wird so geschrieben, dass man nicht nur Adinas Gefühle erfährt, sondern auch die Art und Weise, wie sie die Welt sieht. Aus diesem Grund ist das Lesen des Buches eine sehr immersive Erfahrung, bei der man sich leicht mit der Hauptfigur identifizieren kann.

Wie sich schon folgern lässt, führt das insgesamt zu einer Leseerfahrung voller Widersprüche: einerseits die Einfachheit, mit der man sich in die Hauptperson einfühlt; andererseits die Komplexität, die vom Leser eine intensive intellektuelle Beschäftigung mit der Geschichte fordert. Blaue Frau zu bewerten, wird damit zu einer ziemlich herausfordernden Aufgabe. Ravik Strubels langzeitige Beschäftigung mit Literatur lässt sich leicht erblicken in der großartigen Wiederholung in einem Satz wie ‘Die Sonne spiegelte sich in einem kleinen See, und die offenen Feuerstellen am Ufer spiegelten sich in der Sonne im See, und das Wasser war so kalt, als wäre es gestern erst aufgetaut.’

Blaue Frau ist damit ein Buch, das gleichzeitig von der Virtuosität seiner Autorin profitiert und verliert. Oder ist dieser Widerspruch auch Teil der Suche nach Puzzle-Stückchen? Das ist eine Frage, die der Leser dieser Rezension selbst beantworten muss, denn Blaue Frau ist auf jeden Fall ein Roman, der es wert ist, gelesen zu werden.

Laatst gewijzigd:15 juli 2024 11:00